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Sa 30.01.2016

DREAM THEATER

Musik wird uns alle retten

Im Gespräch mit... James LaBrie, Gesang

DREAM THEATER

Musik wird uns alle retten

Am 29. Januar erschien mit "The Astonishing" das 13. und vermutlich ambitionierteste Werk der Prog-Metal-Ikonen DREAM THEATER in ihrer mittlerweile 30-jährigen Karriere. Wir hatten die Gelegenheit, mit Sänger James LaBrie über die Story hinter dem Doppel-Konzeptalbum zu sprechen und dabei auch erfahren, warum es für angehende Sänger von Vorteil ist, Schlagzeuger zu sein.

Der Kanadier James LaBrie und seine amerikanischen Kollegen von DREAM THEATER haben bereits zwei Tage Promo-Arbeit in Berlin in den Knochen und der Stimme, als er sich dennoch sichtlich entspannt am Telefon meldet:

Diese Promo-Trips sind immer anstrengend, man redet einfach eine Menge. Aber auch nach zwei Tagen habe ich noch eine Menge Energie und bin noch lange nicht müde, über "The Astonishing" zu sprechen. Naja, wer wird schon müde, über sich selbst zu sprechen. [lacht]

Na, dann steigen wir doch gleich mal ein: "The Astonishing" ist Euer erstes Konzeptalbum seit "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" vor 16 Jahren. Viele Eurer Fans lieben dieses Album und aus meiner Sicht ist es eines der besten Konzeptalben aller Zeiten. Warum habt Ihr so lange gewartet, ein weiteres aufzunehmen.

Dafür gibt's mehrere Gründe. Zunächst mal denke ich, dass man nicht in einer Tour Konzeptalben schreibt und alle zwei oder drei Jahre eines herausbringt. Es sei denn, es ist das grundsätzliche Vorhaben einer Band, eine Serie an Konzeptalben, die vielleicht sogar miteinander verknüpft sind, zu veröffentlichen. Ich kenne zumindest niemanden, der das macht. Es ist wirklich schwer zu fassen, dass bereits 16 Jahre seit "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" vergangen sind. Aber als Künstler machst Du in der Regel das, was sich zum jeweiligen Zeitpunkt als richtig und passend anfühlt. Und was man auch sehen muss: Wir sprechen und arbeiten schon seit über zweieinhalb Jahren über und an "The Astonishing". Das begann, während wir unser selbstbetiteltes Album promoted haben. John Petrucci kam mit der Idee zur Story auf den Rest zu, und in dem Moment wussten wir, dass es die richtige Zeit für ein weiteres Konzeptalbum ist.

Wie kam John auf die Geschichte hinter "The Astonishing"?

John hatte da dieses Riff, das alles in Bewegung brachte. Dieses dürfte nun in "A Life Left Behind" verwendet worden sein. Dieses Riff brachte ihn dazu, ein inhaltliches Konzept darum herum aufzubauen, eines ergab das andere. Ich denke, er hat dabei einen verehrenswerten Job gemacht und einen Klassiker geschrieben. Er hat ein ganzes Jahr an der Storyline gearbeitet, bevor er sie uns präsentiert hat. So arbeitet John einfach, alles hat Methode. Er will, dass seine Idee schlüssig ist und er sich damit wohlfühlt, bevor er sie jemand anderem vorstellt. Und als er das tat, war uns allen sofort bewusst, dass es sehr aufregend werden würde, diese Story musikalisch angemessen umzusetzen.

Worum geht es bei "The Astonishing" inhaltlich? Ich habe gelesen, dass man die Story mit Dystopien wie DIE TRIBUTE VON PANEM oder 1984 vergleichen können soll.

Ja, ich denke, das kann man so stehen lassen, wobei sie auch Aspekte von GAME OF THRONES, JESUS CHRIST SUPERSTAR oder STAR WARS beinhaltet. Das Album spielt in einer Zukunft, so 300 Jahre von heute an gerechnet, in dem sogenannten Great Northern Empire Of The Americas. Es gibt keine Nationen mehr, nur noch Imperien, die große Landmassen umfassen und von tyrannischen Imperatoren regiert werden. Kurz gesagt: Diktaturen. Es gibt Menschen, die in unglaublichem Reichtum leben, und Leute, die das absolute Gegenteil erleben und einfach nur überleben wollen. In dieser Realität wurde Musik durch die sogenannten NOMACS, Noise Machines, ersetzt. NOMACS haben eine künstliche Intelligenz, die den Menschen die künstlerische Ausdruckfähigkeit nimmt. Sie erzeugen mehr oder weniger nur Lärm und lassen die Leute abstumpfen. Die breite Masse hat dadurch vergessen, welche Bereicherung ihre Leben durch Kunst erfahren. In dieser Zeit tritt unser Held Gabriel auf den Plan, der ein Gefühl für das Instrument zu entwickeln beginnt, das wir alle besitzen - die Stimme. Er beginnt zu singen und Gitarre zu spielen und erweckt dadurch wieder ein Bewusstsein für Kunst in den Menschen. Das wiederum bringt ihnen Hoffnung auf ein besseres Leben und Leidenschaft zurück. Die Ravenskill Rebel Militia formiert sich daraufhin unter Gabriels Führung und beginnt für eine gerechtere Welt zu kämpfen.

Also ist Musik Gabriels wichtigste und mächtigste Waffe gegen das böse Empire. Mich erinnert das Ganze ein wenig an den sogenannten Islamischen Staat, die Taliban oder totalitäre Regime wie das Dritte Reich, die alle Musik hassen und/oder zensieren, weil sie wissen, was Musik in den Menschen auslösen kann. Denkst Du, dass Musik die Macht hat, solche Gruppen und Regime zu stürzen?

Ich denke, dass Musik schon immer das eine war, das zweifellos Menschen aller Rassen und Überzeugungen zusammengebracht hat. Wir alle haben eine Verbindung zu Musik, sie ist universell. Musik ist wie eine Religion, ein mächtiges Werkzeug, um Menschen zusammenzubringen. Ich weiß nicht, ob Musik die Macht hätte, derartige Regime oder Imperien zu stürzen, aber sie vermittelt Menschlichkeit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich denke, darum geht's auch in der Story von "The Astonishing". Darin haben wir vergessen, dass wir als Volk eine Menge Seele und Potenzial haben, und als die Menschen das realisieren, wollen sie wieder eine gerechtere Welt für alle erschaffen.

"The Astonishing" ist demnach eine Botschaft der Hoffnung?

Ja, eine Botschaft, welche Macht Menschen haben, die vereinigt sind und wie Musik dazu beitragen kann. "The Astonishing" dreht sich im Kern darum, dass Technologie und künstliche Intelligenz uns alle in ihrem Griff haben und Kreativität hemmen. Der einzige Weg, wie Technologie uns von Nutzen sein kann, ist, dass wir sie dafür benutzen, das zu verbessern, wonach wir streben. Sobald Technologie das Sagen hat, verlieren wir die künstlerische Essenz - und dann sind wir verloren. Die Story spielt in der Zukunft, in einer kalten, klinischen und herzlosen Realität. Gabriel ist der Auslöser, derjenige, der Hoffnung verbreitet, der einen Veränderungsprozess in Gang setzt und die Leute aufrüttelt, indem er ihnen zeigt, dass es nicht so bleiben muss.

Die ersten Grafiken, die ich sehen durfte, wie das Album-Cover, Bilder einiger Charaktere oder eine Landkarte, haben alle einen auffälligen Computer-Spiel-Look. Plant Ihr denn etwas in dieser Art?

Nein, nicht im Moment. Aber wahrscheinlich könnte das wirklich leicht passieren. Aus meiner Sicht hat das ganze Konzept das Potenzial, mal als ein Musical, ein Computer-Spiel oder sogar als ein Film umgesetzt zu werden. "The Astonishing" hat einfach eine Story klassischer Art, die sich aus meiner Sicht besonders gut auf einen Film übertragen ließe, ähnlich wie DER HERR DER RINGE oder DIE TRIBUTE VON PANEM.

Das Video zur ersten Single "The Gift Of Music"

Ihr werdet im März auch in Deutschland auf Tour sein, u.a. am 14. März bei uns hier in Nürnberg. Was können die Fans von den Shows erwarten?

Die Tour wird sich komplett um dieses Album drehen. Wir werden es in voller Länge spielen. Daher wollten wir auf dieser Tour nur in den Hallen spielen, die sich aus unserer Sicht am besten dafür eignen. Die Akustik muss unglaublich sein, die Halle muss genug Platz für eine beeindruckende Lichtshow bieten, es soll Videowände geben. Die Produktion, die wir planen, wird phänomenal sein. Sie wird das Publikum in die Welt von "The Astonishing" entführen und auf eine mehrstündige Reise mit uns nehmen. Genauer gesagt wird es ein dreistündiger Abend: "The Astonishing" dauert zwei Stunden und achtzehn Minuten und es wird eine Pause geben. Was wir planen, ist so spannend. Die Musik und alles, was wir visuell planen, wird noch klarer machen, worum es in der Story geht. Wir können es kaum noch erwarten, das alles auf die Bühne zu bringen und auf Tour zu gehen.

Okeee ...

Ja, das wird gewaltig.

Ich bin sehr gespannt! Ich hatte mich schon gewundert, warum Ihr hier in Nürnberg in der Meistersingerhalle spielt, in der sonst eher Klassik- und Schlagerkonzerte stattfinden.

Da geht es Dir wie vielen, die erst einmal gestutzt haben, als sie lasen, in welchen Hallen wir spielen. Die haben sich gewundert, warum wir nicht in den großen Mehrzweckarenen spielen. Aber wie eben schon angedeutet, verlangt das Album unserer Meinung nach danach, in diesen Klassik-Umfeldern gespielt zu werden. Unsere Fans werden, wenn sie diese Räume und dann die Show sehen, verstehen, dass es genau so sein muss.

Das klingt wirklich sehr aufregend. Die nächste Frage ist eher persönlicher Natur. Ich habe gelesen, dass Du als Schlagzeuger angefangen hast, bevor Du Sänger wurdest. Denselben Weg schlugen Steven Tyler von AEROSMMITH, PHIL COLLINS von GENESIS oder BRUCE DICKINSON von IRON MAIDEN ein. Es sieht irgendwie so aus, als müsste man erst einmal Schlagzeuger werden, bevor man ein Weltklasse-Sänger werden kann. Kannst Du Dir das irgendwie erklären?

Das ist ja echt witzig... und Du hast Recht. Als ich fünf war, bekam ich mein erstes Drum-Set und ich liebte es, Schlagzeug zu spielen, bis ich ca. 17 war. Und ich glaube, das war später ein unschätzbarer Vorteil für mich, speziell als ich bei DREAM THEATER einstieg. Dieser rhythmische Background machte es mir sehr leicht, die Progressivität und hohe technische Qualität der Band zu verstehen. Das erlaubte es mir, die Musik zu fühlen, ohne sie mathematisch analysieren zu müssen. Ich denke deshalb, dass es essenziell für alle Musiker und Sänger im Speziellen ist, eine rhythmische Grundbildung zu haben. Das macht es leichter, tiefer einzutauchen.

Manchmal liest man ja über Sänger, selbst Weltklasse-Leute, dass sie an den Punkt kommen, an dem sie das Gefühl haben, bei einem neuen Song gesanglich nicht das erreichen zu können, was sie möchten. Sie holen sich dann Unterstützung. James Hetfield hat sich zum Beispiel während der Aufnahmen zum Schwarzen Album an einen Coach gewandt. Bist Du eigentlich jemals an diesen Punkt gekommen?

Nein. Ich glaube, "The Astonishing" ist ein perfektes Beispiel. Du konntest bislang erst acht oder neun Songs hören, oder?

Ja, das komplette Album lag mir noch nicht vor.

Schon allein in diesen acht oder neun Songs kannst Du einiges hören. Ich singe in dieser Geschichte acht Charaktere und ich musste jedem dieser Charaktere eine eigene Identität geben, zwei davon sind übrigens weiblich. Dafür musste ich mich wirklich sehr tief in die Story vertiefen, um herauszufinden, was ausgedrückt werden soll. Es sollte glaubwürdig rüberkommen. Das war eine noch nie dagewesene Aufgabe für mich, eine große Herausforderung. Aber ich wusste, ohne dass das jetzt selbstgefällig klingen soll, dass ich das schaffen kann. Ich habe die Hauptrolle auf "The Human Equation" für Arjen Lucassen (AYREON) gesungen und Leonardo Da Vinci auf "Leonardo: The Absolute Man" von TRENT GARDNER meine Stimme geliehen. Diese Erfahrungen haben mir bei "The Astonishing" geholfen, diese vielen Charaktere so glaubhaft darzustellen, dass man als Hörer merkt, dass von Charakter zu Charakter gewechselt wird. Ich muss sagen, dass ich bislang noch nicht an den von Dir erwähnten Punkt gekommen bin und hoffe auch, nie an diesen zu kommen. Aber ich kann verstehen, dass andere das erleben, denn als Sänger willst Du stimmlich immer etwas Neues darstellen und erschaffen. Da kommt dann der Moment, in dem Du Dich fragst, wohin Du noch gehen kannst, wo Du noch nicht warst und was eine Weiterentwicklung wäre. Das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Dann kommen wir auch schon zu meiner letzten Frage: Du bist ja für viele Sänger weltweit ein Idol. Hast Du denn selbst ein Idol?

Na klar! Mein ultimativer Sänger, und ich denke, da stimmst Du mir zu, war immer Freddie Mercury von QUEEN. Er war die letzten Wochen vor seinem Tod tagtäglich im Studio und hat Songs für "Made In Heaven" eingesungen und er sang phänomenal. Auf "Innuendo" und "Made In Heaven" war seine Stimme unglaublich. Schon in jungen Jahren beeindruckten mich QUEEN-Alben wie "A Day At The Races" und "Sheer Heart Attack". Nicht nur musikalisch, sondern vor allem Freddie mit seiner phänomenalen Stimme. Es ging ihm immer nur darum, den Song weiter zu bringen und zu verbessern. Andere Sänger, die mich beeinflusst haben, sind Steve Perry von JOURNEY und Lou Gramm von FOREIGNER. Dazu kommt Robert Plant von LED ZEPPELIN, der eine der meiner Meinung nach einzigartigsten und begnadetsten Rock-Stimmen hat. Sogar Bon Scott von AC/DC, ein unfassbarer Rock-Sänger, der von der Natur mit so viel Talent beschenkt wurde. Wer sonst klang jemals wie er? Keiner! Und dann wäre da noch Rob Halford von JUDAS PRIEST, der so viel mit seiner Stimme anstellen konnte. Es gibt so viele, sogar ROD STEWART oder NAT KING COLE.

James, vielen, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast! Es hat mich sehr gefreut.

Mich auch und ich kann's kaum erwarten, dass das Album veröffentlicht wird und Ihr es live erleben könnt. Es wird ein unvergesslicher und spannender Abend werden.

Das nagelneue Audio-Video zum Song "Moment Of Betrayal"



Interview und Text: Dr. Haag
 

 

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